1200 km mit dem Fahrrad an Elbe, Ostsee und Oder/Neisse
zurück zum Start |
Ich habe im Internet relativ wenig Reiseberichte über diesen schönen Teil Deutschlands gefunden. Mit meinen Beitrag will ich Interessierte zur Nachahmung ermutigen. Gleich vorweg der gebliebene Eindruck der Reise: Auch Nord-Deutschland ist ein super schönes (Reise-)Land. Es ist kaum ein Unterschied festzustellen zwischen Ost und West, überall ist es gepflegt und der Standard recht hoch. Selbst Abrißobjekte sind gut abgesperrt bzw. "versteckt". Ob Sachsen-Anhalt, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern oder Brandenburg, immer fanden wir freundliche Gesprächspartner, gute Gaststätten und preiswerte Quartiere mit Fernseher im Zimmer, prima Matratzen und sehr gutem Frühstück.
Zu den Personen: Meine Frau und ich sind Anfang Fünfzig und bestimmt nicht sehr sportlich, fahren aber täglich doch mehrere km Rad
Zeitpunkt: Ende April 2002. In der Haupturlaubszeit könnte die Zimmersuche für Einzelübernachtungen ohne Vorbuchung gar nicht so leicht sein.
Ausrüstung:
Unsere 7 Jahre alten Kettler-Trekking-Räder Paramount hielten die starke Beanspruchung wieder toll und klaglos aus. Die direkt vor dem Radlgeschäft in Hitzacker verlorene Mutter des Pedalarmes ersetzte der Fachmann dort schnell und gut. Sonst hatten wir keinerlei Pannen. Dabei war das Herrenrad mit ca. gut 110 kg beladen (Gewicht des Gepäckes wird nicht genannt).
Das Damenfahrrad bekam wenige Stunden vor Abreise noch Ortlieb-Packtaschen und einen Koffer, welche wegen der wasserdichten Ausführung schon recht komfortabel sind. Aber auch die alte Garnitur Packtaschen mit Aufschrift "Tour" für das Herren-Fahrrad tat brav ihren Dienst.
Radtourenkarten M 1:150.000 Offizielle Karte des Allg. Deutschen Fahrradclubs und Bike-line-Führer für Oder/Neisse
Barometerfunktion des Eschenbach-Höhenmessers. Dieses Gerät war äußerst hilfreich. So waren wir in den zwei Wochen nur ca. 2 Stunden intensivem Regen und 3 Stunden leichtem Regen ausgesetzt.
Wir wollten uns einen groben Überblick verschaffen. Deshalb verzichteten wir während der Fahrt vor Bezug des neuen Quartiers auf die Besichtigung von Kulturschätzen, achteten mehr auf die allgemeinen Lebensumstände in Dörfern und Städten und freuten uns über die schönen Landschaften. Nach dem Frühstück radelten wir meistens gegen 1/2 9 Uhr los, verzichteten nach dem immer großen Frühstück auf das Mittagessen, suchten am Nachmittag den Bäcker auf und gingen zum Abendessen nach Bezug des Quartiers.
1. Tag
Anreise mit dem Zug (Wochenend-Ticket) nach Barby an der Saale-/Elbe-Mündung, Unterbrechung der Reise für 2 Stunden für einen Rundgang im schönen Leipzig. Übernachtung in der sehr guten Pension Ulla in Barby, Tel. 039298/7701. Diese Pension kannten wir schon von unserer letzten Radtour Oberes Elbetal.
2. Tag
115 km nach Tangermünde, alle Wegeklassen, überwiegend aber gut befahrbar, zuerst rechtselbisch, dann bei Rogätz über die Fähre linkselbisch weiter. Bei Magdeburg gefiel uns besonders die parkähnliche und weite Landschaft. Tangermünde ist geprägt von schönen Backsteinbauten und verzierten Toren und Eingängen. Übernachtung im Gasthof am Rathaus
3. Tag
120 km bis Damnatz, viele km auf guten und ruhigen Landstraßen, teilweise auch auf Radwegen daneben. Seehausen ist einen Besuch wert. Wegen des großen Drangs an die See nach Norden schenkten wir uns Havelberg und Wittenberge, was bestimmt ein Fehler war. Unterkunft im Hotel Sonnenhof, Tel. 05865/1575
4. Tag
115 km bis Mölln, steifer Gegenwind auf ca. 75 km sehr guten Radwegen bis Lauenburg. Die Elbe beeindruckt in diesem unteren Bereich mit ihrer Breite und den großen Überflutungszonen. Auffallend auch die besonders schicken Häuser am Elbufer. Gerade und schnell nach Norden kamen wir auf anfangs guten Radwegen am Elbe-Lübeck-Kanal voran. Die letzten km vor Mölln sind einem Europa-Fernradweg wegen der vielen Schlaglöcher unwürdig. Mölln ist ein schöner Ort. Unterkunft bei Familie Brettschneider, Tel. 04542/87811
5. Tag
90 km bis Boltenhagen, ab Mölln auf jetzt gutem Kanal-Trepelweg nach Lübeck. Das Holstentor mußte ich sehen. Rasch fuhren wir aber weiter nach Travemünde. Hier beeindruckte besonders der Hafen. Den ersten Kontakt mit der Ostsee feierten wir mit einem Piccolo am frühen Mittag. Neu für uns war danach auch gleich Mecklenburg-Vorpommern. Anfänglich wollten wir möglichst nahe am Wasser sein. Deshalb nahmen wir auch die schwer zu fahrenden Wege mit den Viellöcher-Platten inkauf. Faszinierend war der Strand mit dem bislang noch nie so gesehenen weißen feinen Sand. Abschnitte mit flachem und in diesem Maß nicht erwarteten hügeligem Gelände mit Steilküste gaben im Wechsel einen besonderen Reiz. Übernachtung ohne Frühstück dieses Mal bei Frau Glander, gutes Appartement. Hier am Ort war die Einzelübernachtung zu bekommen gar nicht so einfach. Preiswerte Fischrestaurants. Boltenhagen ist ein eher moderner Ort, von der Größe her aber überschaubar und sympathisch.
6. Tag
75 km bis Kühlungsborn, bis auf ca. 2 km Kopfsteinpflaster nur Teerwege und Straßen. Wir besuchten Wismar, sahen den Hafen und später Insel Poel von ferne von schönen Aussichtspunkten. Ab 15 Uhr erreichten wir die empfohlene Pension und Gaststätte Villa Seerose in Kühlungsborn, Tel. 038293/7290. An diesem Nachmittag kamen wir auch zu einem langen Strandspaziergang barfuß durch den warmen Sand und konnten den ersten Schwimmer bewundern. Kühlungsborn ist auch ein guter Platz in klassischer Seebäder-Architektur.
7. Tag
120 km recht flott auf guten bis sehr guten Radwegen bis Zingst. Anfangs mit Rückenwind über Warnemünde und Heiligendamm, dann mit leichtem Regen ab Graal-Müritz rasch weiter. Der Regen hörte dann auf. Der Reetdächer wegen besonders positiv auffallend war Wieck am Darß. Interessant auch der Bodden und die Haffs. Recht schwer war für Radlfahrer die Zimmersuche in Zingst, einem überschaubaren, aber offenbar recht gefragten Ort mit einer guten Mischung aus alt und neu.
8. Tag
Die 110 km von Zingst nach Göhren auf Rügen hatten es in sich. Bis Barth kamen wir gut voran. Beim Damnatzer Hafen erwischte uns das angekündigte Sturmtief. Nach einer Stunde schlechtem Unterschlupf in einer zugigen Hütte setzten wir uns noch 2 Stunden dem starken Regen und Sturmböen aus. Dem sofortigen Willen nach Quartiersuche wirkte der Mangel an geeigneten Objekten und die schnell wiederkommende Sonne entgegen. Getrieben vom noch immer heftigen Rückenwind erreichten wir gegen 1/2 8 Uhr dann Göhren auf Rügen, wo wir im Alten Forsthaus bei freundlichen Leuten Unterschlupf fanden, ein sehr gutes Speiselokal empfohlen bekamen und beim Nachhauseweg von einer Gruppe Glatzköpfen als erkennbare Bayern nicht einmal belästigt wurden. Ferienzimmer Manfred Reißland, Tel. 038308/2408.
9. Tag
45 km. Geplant war ein ruhiger Tag, aber wie könnte es anders sein. Nach dem Frühstück in der Bäckerei erfuhren wir beim Strandbesuch, daß um 10 Uhr ein Schiff nach Usedom übersetzt. Mit wenigen Minuten Luft erreichten wir auch das Schiff, welches wegen der wenigen Passagiere nicht fuhr und wieder nach Binz zurücksetzte. Es nahm uns mit. Binz ist mondän, wir fuhren schnell hinein und hinaus, besuchten das Kilometer-Haus des 3. Reiches, erreichten schließlich Sassnitz und setzten uns dort wider aller Planungen sofort in den wartenden Zug, um per Schiene nach Usedom zu gelangen. Pension Gellert, Zinnowitz, Tel. 038377/42263. Zinnowitz ist ein gefälliger Ort.
10. Tag
98 km auf sehr guten Radwegen. bei frühem Aufbruch wegen der schlechten Wetterprognosen. Bei Ahlbeck bekamen wir endgültig den Eindruck, daß die Gefahr von Überkapazitäten im Tourismus sehr groß ist. Das Schiff in Kaminke war natürlich schon fast eine Stunde weg und hätte entgegen unserer Erwartungen das Stettiner Haff auch nicht überquert. Prompt regnete es dort auch wieder für kurze Zeit. Auf verbotenen Wegen angetroffen wurden wir von den freundlichen Zöllnern auf die rechten Pfade gebracht und erreichten über sehr schöne Radwege, leider immer mit Gegenwind, die Brücke beim Ort Usedom zum Festland und Anklam. Loben wollen wir die Radwege auf Usedom. Anklam aber hat irgendwie die Zeit verschlafen. Die Übernachtung in der Pension dort war letztendlich den hohen Preis auch wert, nur empfanden wir die Aufpreispolitik einfach fad. Deshalb auch keine Empfehlung.
11. Tag
113 km auf Radwegen verschiedener Güte. Recht früh fuhren wir wieder los zum Ankamer Fährhaus durch Moor und Wassergebiete. Ueckermünde empfängt den Besucher mit dem gepflegten Erscheinungsbild bereits am Ortseingang, ein gefälliger Ort. Bei Rieth verliessen wir das Stettiner Haff. Auf dem Oderradweg kommen wir auch dank sehr guter Beschilderung schnell voran. Die Trassenführung wird wieder stark hügelig. 15 km bis Stettin konnten wir auf einem Schild ablesen. Gestern von dort zu kommen wäre uns recht gewesen. Wir kamen unter im Gasthof Krause in Penkun, Tel. 039751/60476.
12. Tag
123 km, sehr guter Radweg, aber ständig Süd-(Gegen-)Wind. Bei Mescherin kamen wir an die Oder. Das Fest der PDS zum 1. Mai war etwas zu früh am Tag. Es wäre bei Bier und Brotzeit bestimmt lustig und interessant geworden, nur hätten wir uns das Weiterfahren schenken können. Auffallend war der starke Grenzverkehr in Hohenwutzen. Wir entschlossen uns trotz kommender Schwierigkeiten bei der Quartiersuche zur Weiterfahrt, durchquerten das untere Odertal und den Oderbruch, ein Gebiet mit ungewöhnlich geringer Besiedlungsdichte. An den Dämmen wird fest gebaut. Gelandet sind wir in der Pension Brigitte, Groß Neuendorf und waren sehr positiv von der großzügigen Inneneinrichtung beeindruckt. Tel. 033478/30131.
13. Tag
112 km teils auf Sand- und Kieswegen, überwiegend aber Teerwege. Recht flott kamen wir weiter, wunderten uns aber sehr, daß wegen jeweils ca. 5 km fehlendem Radweg vor und nach Frankfurt/Oder der dortigen Bevölkerung praktisch die Naherholung in der schönen Umgebung verwehrt wird. Frankfurt wirkte auf uns eher gemütlich und hat ein schönes Uni-Viertel. Interessant und durchaus reizvoll war Eisenhüttenstadt wegen der teils völlig gegensätzlichen Stadtviertel, beeindruckend auch die Straße der Republik. Ich glaube, hier noch viel von der vergangenen Zeit gesehen zu haben. Vielleicht sollte etwas mehr noch auf Tourismus gesetzt werden. Übernachtung im Gasthaus "Zum Schnauz", Tel. 03364/750056.
14. Tag
25 km bis Guben auf sehr gutem Radweg. Ungewöhnlich früh sind wir nach dem Frühstück beim Bäcker losgefahren, weil offenbar das Spiel Verlängerung um 1 Tag und Weiterfahrt bis Zittau noch nicht vom Tisch war. Es siegte letztendlich aber die Vernunft. Recht traurig waren wir, als uns bei Ratzdorf die Oder verließ. Die Neisse als Grenzfluss war uns viel zu klein. Guben ist geprägt von der Grenze zu Polen und dem Übergang. Schwer war die Suche nach der Unterkunft wegen des Gubener Heimattreffens. Im "Hochhaus" Hotel Panorama Tel. 03561/5570 bekamen wir dann doch noch ein schönes und preiswertes Zimmer. Bei unserem halbstündigen Ausflug in den polnischen Teil Gubin fühlten wir uns wie bei früheren ähnlichen Abstechern nicht wohl. Nicht einmal Zigaretten haben wir gekauft. Schön war es aber dann am späten Nachmittag im Garten einer Gaststätte in Guben.
15. Tag
Heimreise mit der Bundesbahn (Wochenendticket).
Die Kilometerangaben wurden vom Zähler abgelesen und sind nicht immer die kürzeste Verbindung zwischen den Orten. Insgesamt wurden es fast 1.300 km.
Total braun sind wir von diesem Urlaub Ende April/Anfang Mai zurückgekommen, obwohl die Sonne nicht immer schien. Ein Urlaub mit dem Fahrrad oder mit Bahn, Bus oder Auto in Deutschland stellt mehr als nur eine Alternative zum Pauschal-Auslandsurlaub dar. Es ist recht wahrscheinlich, daß der Urlauber für das gleiche Geld sehr viel mehr bekommt. Dabei sind wir einem Urlaub im Ausland grundsätzlich nicht abgeneigt. Dieser Deutschlandurlaub aber war besonders interessant, erholsam und zum Krafttanken für die Zeit danach optimal.
zurück zum START